Ihr kennt das sicher. Jemand postet einen Link zu einem interessanten Artikel, ihr klickt darauf und bumm – Paywall. Jetzt habt ihr drei Möglichkeiten: Ihr erklärt euch damit einverstanden, dass hunderte Partner der Seite personenbezogene Daten anhand von persönlichen Identifikationsmerkmalen wie Gerätekennungen oder IP-Adressen erheben und verarbeiten, euer individuelles Nutzungsverhalten erfassen und Cookies auf den Endgeräten speichern. Und natürlich wird immer betont, dass dies auch zur Verbesserung des Angebots beiträgt *LOL.
Das wollt ihr nicht? Okay, dann könnt Ihr natürlich ein kostenpflichtiges Abo abschließen. Entweder ein Pur-Abonnement, das euch vom Werbetracking befreit, aber oft nicht von Eigenwerbung und internen Nutzungsanalysen. Hier sollte jedoch erwähnt werden, dass dies weniger invasiv und im eigenen Interesse nachvollziehbar ist.
Ach ja, möchtet ihr auch noch Zugriff auf Plus- oder Premium-Artikel ohne Tracking haben, benötigt ihr zusätzlich zum Pur-Abo noch das Digital-Abonnement. Und wenn ihr so richtig einen raushauen wollt, schließt ihr ein vollwertiges Jahresabonnement ab.
Das ist nur ein Beispiel von vielen im Internet. Jeder kocht sein eigenes Paywall-Süppchen mit unterschiedlichen Abo-Modellen, und auch wenn man es sich finanziell leisten kann, Geld für ein Abo auszugeben, ist das oft „Pain in the ass“.
Die dritte und letzte Möglichkeit besteht darin, die Seite einfach zu verlassen und nie wieder aufzusuchen.
Eine Gefahr für die Demokratie?
Die größte Gefahr für die Demokratie sehe ich in diesem Zusammenhang darin, dass die Überprüfung des Wahrheitsgehalts von Nachrichten immer schwieriger wird. Das Netz ist voll von Fakenews und Verschwörungsgeschichten. Insofern sind etablierte und seriöse Medien für mich eine wichtige Quelle, um zu überprüfen, ob etwas stimmt oder nicht. Wenn ich aber ständig gegen eine Paywall renne, kann ich das nicht mehr.
Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll, aber bei mir hat sich ein Verhalten eingestellt, dass ich auf Links zu Artikeln etablierter und seriöser Medien gar nicht mehr klicke, weil ich weiß, was kommt – die Paywall.
Eine weitere Gefahr sehe ich darin, dass Journalismus immer mehr zu einem Gut für Besserverdienende wird. Möchte ich das volle Programm, bekomme ich das teilweise nur über ein vollwertiges Jahresabonnement. Lassen sich Abos hingegen monatlich buchen und jederzeit wieder kündigen, wie wir das von Streamingdiensten kennen, fällt das finanziell vielleicht nicht so stark ins Gewicht, vorausgesetzt das mit dem Kündigen klappt auch. Diesbezüglich habe ich allerdings schon viel Schlimmes gehört. Und hier sprechen wir nur von einem Medium in unserem Portfolio.
Als Gegenargument kann man natürlich anführen, dass das Zeitungsabonnement auch Geld kostete. Das stimmt natürlich, nur man konnte damals eine Zeitung im Laden kaufen und musste nicht gleich ein Abonnement abschließen.
Viel schlimmer finde ich aber, dass man immer mehr Menschen ausgrenzt, die sich nicht von diesem für mich gesellschaftsschädigem Überwachungskapitalismus freikaufen können. Sie haben nur die Wahl, zu gehen oder das zuzulassen.
Und auch hier gibt es natürlich ein Gegenargument. Ohne diese Möglichkeit bekäme man gar keinen Zugang. Und ohne Geld konnte man sich damals auch keine Zeitung im Laden kaufen.
Das Perfide ist, dass genau dieses Modell dazu geführt hat, dass der Journalismus im Internet ein Problem hat. Die großen Silos wie Google, Meta und Co. haben diesen Wahnsinn der personalisierten Werbung erst etabliert und die meiner Meinung nach moralisch befreite Werbeindustrie ist nicht nur freudig auf den Zug aufgesprungen, sie hat ihn erst ins Rollen gebracht. Klassische Werbung ohne Personalisierung war plötzlich nicht mehr interessant und man zog immer mehr Werbung von den Seiten ab, die sich damit finanzierten. Das meiste spielte sich nun auf den großen Plattformen ab, um die herum sich eine ganze Industrie entwickelt hat, der es egal ist, welche Auswirkungen das auf uns und unsere Gesellschaft hat. Und das Modell sickerte dann von den Plattformen durch und wurde zum Finanzierungsmodell für journalistische Angebote, wie wir sie heute kennen.
Versteht mich nicht falsch. Ich bin nicht hier, um eine Lösung zu präsentieren, denn das kann ich nicht. Ich weiß, dass Journalismus sich finanzieren muss, und das ist heutzutage sehr schwierig. Ich möchte auch nicht journalistische Medien grundsätzlich als die „Bösen“ hinstellen, denn das wäre zu kurz gegriffen und auch nicht richtig. Im Prinzip wird der digitale Medienmarkt von Big Tech bestimmt und wenn man da nicht irgendwie mitspielt, bleibt man auf der Strecke. Das ist für mich eigentlich das Hauptproblem, weil der freie und faire Wettbewerb in diesem Bereich völlig außer Kraft gesetzt ist. Und aufgrund der damit verbundenen Aufmerksamkeitsökonomie – was noch einmal ein ganz anderes Thema ist – nimmt der Journalismus zusätzlich auch noch Schaden.
Letztlich kann ich nur meine Wahrnehmung schildern und daraus etwas ableiten, was nicht unbedingt richtig sein muss. Aber wenn ich den Wahrheitsgehalt von Nachrichten nur noch schwer überprüfen kann und investigative Recherchen von gesellschaftlicher Relevanz hinter Paywalls verschwinden, halte ich das nicht förderlich für den Erhalt unserer Demokratie. Mir ist aber auch klar, dass sich Journalismus finanzieren muss. Ich kann ja auch nicht in einen Supermarkt gehen und die Waren einfach so mitnehmen.
Es gibt allerdings auch solidarische Modelle, die nicht gleich jedem Nichtabonnenten die Hose runterziehen. Ein gutes Beispiel dafür ist die TAZ. Man kann die TAZ mit einem finanziellen Beitrag unterstützen. Alle, die das tun, ermöglichen Journalismus und Teilhabe für alle, weil dort keine Artikel hinter einer Paywall versteckt werden. Oder man sammelt Spenden, wie es andere journalistische Plattformen tun. Eines haben alle gemeinsam: Teilhabe für alle. Wer sich ein Abo oder eine Spende leisten kann, unterstützt Journalismus und ermöglicht Menschen, die es sich nicht leisten können, trotzdem den Zugang. Und auch hier ist mir bewusst, dass diese Modelle nicht für alle funktionieren.
Laut werden für den ÖRR
Im Entwurf des in Teilen verabschiedeten Rundfunkstaatsvertrages zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ging es auch um die Frage, wie presseähnlich die Angebote des ÖRR sein dürfen. Der Staatsvertrag verbietet den Rundfunkanstalten presseähnliche Angebote. Auf Druck der Lobby der Zeitungsverleger, also die mit der Paywall, sollen Textinhalte weiter reduziert werden. Der ÖRR hat sich weitestgehend auf Audio- und Videoinhalte zu beschränken. Textinhalte sollen nur noch dann erlaubt sein, wenn sie ausschließlich sendungsbezogen sind. Dieser Punkt wurde jedoch auf das nächste Jahr vertagt.
Zum einen ist das völlig anachronistisch, denn gerade bei Online-Angeboten ist die Unterscheidung zwischen Text, Video und Audio ein schlechter Witz. Und warum sollten ARD, ZDF und Co. ihre digitalen Textangebote so lange zurückhalten, bis sie einen passenden Beitrag dazu senden?
Zum anderen benötigen wir mehr freie und seriöse Medieninhalte. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich umfassend und verlässlich zu informieren. Und dabei darf es keine Rolle spielen, ob es sich um Text, Bild oder Ton handelt. Das ist gerade in der heutigen Zeit unglaublich wichtig.
Die öffentlich-rechtlichen Medien, die wir alle finanzieren, sind da immer eine gute Anlaufstelle. Ich würde sogar so weit gehen, dass man das Verbot der Presseähnlichkeit überdenken muss.
Wir müssen darüber nachdenken, wie wir einen vielfältigen und unabhängigen Journalismus für alle sichern können, und das ist zum Teil auch Aufgabe der Politik. Den ÖRR jetzt noch weiter einzuschränken, halte ich für eine große Gefahr für den Erhalt unserer Demokratie.
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